cavalier b&t und ruby203 cavalier b&t und ruby202

Die  Geschichte von Lea

Ich weiss nicht  mehr viel von dem Ort, wo ich geboren bin. Es war eng und dunkel und nie spielte  ein Mensch mit uns. Ich erinnere mich noch an Mama und ihr weiches Fell, aber  sie war oft krank und sehr dünn. Sie hatte nur wenig Milch für mich und meine  Brüder und Schwestern. Die meisten von ihnen waren plötzlich gestorben.

 Als sie  mich von meiner Mutter wegnahmen, hatte ich furchtbare Angst und war so traurig.  Meine Milchzähne waren kaum durchgestossen und ich hätte meine Mama doch noch so  sehr gebraucht. Arme Mama, es ging ihr so schlecht. Die Menschen sagten, dass  sie jetzt endlich Geld wollten und dass das Geschrei meiner Schwester und mir  ihnen auf die Nerven gingen. So wurden wir eines Tages in eine Kiste verladen  und fortgebracht. Wir kuschelten uns aneinander und fühlten wie wir beide  zitterten, ohnmächtig vor Angst. Niemand kam, um uns zu trösten. All diese  seltsamen Geräusche und erst noch die Gerüche - wir sind in einem “Petshop”,  einem Laden, wo es viele verschiedene Tiere gibt. Einige miauen, andere piepsen,  einige pfeifen. Wir hörten auch das Wimmern von andern Welpen. Meine Schwester  und ich drücken uns eng zusammen in dem kleinen Käfig. Manchmal kommen Menschen  und schauen uns an, oft ganz kleine Menschen, die sehr fröhlich aussehen, als wollten  sie mit uns spielen. Tag um Tag verbringen wir in unserem kleinen Käfig.  Manchmal packt uns jemand und hebt uns hoch um uns zu begutachten. Einige sind  freundlich und streicheln uns, andere sind grob und tun uns weh. Oft hören wir  sagen “oh, sind die süss, ich will eines”, aber dann gehen die Leute wieder  fort. Letzte Nacht ist meine Schwester gestorben. Ich habe meinen Kopf an ihr  weiches Fell gelegt und gespürt, wie das Leben aus dem dünnen Körperchen  gewichen ist. Als sie sie am Morgen aus dem Käfig nehmen sagen sie, sie sei  krank gewesen und ich sollte verbilligt abgegeben werden, damit ich bald  wegkomme.

Niemand beachtet mein leises Weinen, als mein kleines Schwesterchen  weggeworfen wird.

Heute ist eine Familie gekommen und hat mich gekauft ! Jetzt  wird alles gut ! Es sind sehr nette Leute, die sich tatsächlich für MICH  entschieden haben. Sie haben gutes Futter und einen schönen Napf dabei und das  kleine Mädchen trägt mich ganz zärtlich auf den Armen. Ihr Vater und Mutter  sagen, ich sei ein ganz süsses und braves Hundchen. Ich heisse jetzt Lea. Ich  darf meine neue Familie sogar abschlabbern, das ist wunderbar. Sie lehren mich  freundlich, was ich tun darf und was nicht, passen gut auf mich auf, geben mir  herrliches Essen und viel, viel Liebe. Nichts will ich mehr, als diesen  wunderbaren Menschen gefallen und nichts ist schöner als mit dem kleinen Mädchen  herumzutollen und zu spielen.

Erster Besuch beim Tierarzt. Es war ein seltsamer  Ort, mir schauderte. Ich bekam einige Spritzen. Meine beste Freundin, das kleine  Mädchen, hielt mich sanft und sagte, es wäre ok, dann entspannte ich mich. Der  Tierarzt schien meinen geliebten Menschen traurige Worte zu sagen, sie sahen  ganz bestürzt aus. Ich hörte etwas von schweren Mängeln und von Dysplasie E und  von Herz zwei. Er sprach von wilden Züchtern und dass meine Eltern nie  gesundheitlich getestet worden seien. Ich habe nichts von alledem begriffen aber  es war furchtbar, meine Familie so traurig zu sehen.

Jetzt bin ich sechs Monate  alt. Meine gleichaltrigen Artgenossen sind wild und stark, aber mir tut jede  Bewegung schrecklich weh. Die Schmerzen gehen nie weg. Ausserdem kriege ich  gleich Atemnot, wenn ich nur ein wenig mit dem kleinen Mädchen spielen will. Ich  möchte so gerne ein kräftiger Hund sein, aber ich schaffe es einfach nicht.  Vater und Mutter sprechen über mich. Es bricht mir das Herz, alle so traurig zu  sehen. In der Zwischenzeit war ich oft beim Tierarzt und immer hiess es  “genetisch” und “nichts zu machen”. Ich möchte draussen in der warmen Sonne mit  meiner Familie spielen, möchte rennen und hüpfen. Es geht nicht.

Letzte Nacht  war es schlimmer als eh und je. Ich konnte nicht einmal mehr aufstehen um zu  trinken und nur noch schreien vor Schmerzen. Sie tragen mich ins Auto. Alle  weinen. Sie sind so seltsam, was ist   los? War ich böse ? Sind sie am Ende böse  auf mich ? Nein, nein, sie liebkosen mich ja so zärtlich. Ach wenn nur diese  Schmerzen aufhörten ! Ich kann nicht mal die Tränen vom Gesicht des kleinen  Mädchen ablecken aber wenigstens erreiche ich ihre Hand.

Der Tisch beim  Tierarzt ist kalt. Ich habe Angst. Die Menschen weinen in mein Fell, ich fühle,  wie sehr sie mich lieben. Mit Mühe schaffe ich es, ihre Hand zu lecken. Der  Tierarzt nimmt sich heute viel Zeit und ist sehr freundlich, und ich empfinde  etwas weniger Schmerzen. Das kleine Mädchen hält mich ganz sanft, ein kleiner  Stich...

Gottseidank, der Schmerz geht zurück. Ich fühle tiefen Frieden und  Dankbarkeit. Ein Traum: ich sehe meine Mama, meine Brüder und Schwestern auf  einer grossen grünen Wiese. Sie rufen mir zu, dass es dort keine Schmerzen gibt,  nur Friede und Glück. So sage ich meiner Menschenfamilie Aufwiedersehen auf die  einzige mir mögliche Weise: mit einem sanften Wedeln und einem kleinen  Schnuffeln. Viele glückliche Jahre wollte ich mit Euch verbringen, es hat nicht  sein sollen. Statt dessen habe ich Euch so viel Kummer gemacht. Es tut mir leid,  ich war halt nur eine Händlerware.

Lea

©1999 J. Ellis - bewilligte Uebersetzung von E. Wittwer

 

Wie konntest Du nur?